2. Ohne Würde

Kommunikation ist würdelos geworden.

Was hat jemand, der hinter anderen herläuft, eigentlich für ein Selbstbild? Genauer gefragt: Für wie „wert-voll“ hält er eigentlich sein Produkt? Eine Marke ist die Würde eines Produktes, hätte Emanuel Kant gesagt, der schon vor 200 Jahren schrieb: „Im Reich der Zwecke hat alles entweder einen Preis oder eine Würde. Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch ein Äquivalent stehen. Was dagegen eine Würde hat, was über allen Preis erhaben ist, das gestattet kein Äquivalent. Weiter schreibt Kant: „Diese Würde sind innere Werte, unerreichbar, schwer zugänglich, geschützt vor allen Zumutungen des Lebens…“

Wo kommunizieren Sie Ihre Produkte? Verleihen Sie ihnen Wert und Würde? Sind ihre Produkte Verkörperungen gesellschaftlicher Werte? Sind sie not-wendig? Ich sage „not-wenig“, weil wahre Werte immer eine gesellschaftliche Not wenden. Sie sind die Antwort auf ein kulturelles Problem, das bisher ungelöst war. Marken sind Symbole kulturellen Fortschritts – kulturelle Innovationen. Sonst bräuchten wir sie nicht. Nutzen und Qualitätsmerkmale eines Produktes oder einer Dienstleistung können diese auch alleine kommunizieren.

Doch zurück zur Würde: Die Produkte haben ihre Würde verloren, weil die Kommunikation würdelos geworden ist. Der Grund ist die immer unwürdigere Anpassung der Kommunikation an die Bedürfnisse des Publikums. Markt- und Meinungsforschungen, Trend- und Milieustudien, Zielgruppen- und Szenenprofilierungen sowie die immer verfeinerten Bedarfs- und Kaufanalysen haben zu einer neuen obersten Handlungsmaxime geführt: Man will nicht mehr führen, sondern nur noch gefallen.

Zum Aufdrängen der respektlosen Kommunikation hat sich das Gefallenwollen der würdelosen Kommunikation gesellt. Anpassen, Angleichen, Anbiedern sind die drei A’s der aktuellen Markenkommunikation. Die Entwicklung spitzt sich in unseren Tagen durch die wachsende Flut der sozialen Medien dramatisch zu. Was nicht gelikt, geteilt und gepostet wird, existiert nicht.

Die aktuelle Kommunikationspraxis kündet eher von der Selbstaufgabe der Marken. Das zeigt auch, dass Marke nicht das Thema ist – sondern Würde. Es geht nicht darum, wer oder was man ist. Es geht darum, dem, was man ist oder hat, einen wert zuzuschreiben. Die Anbiederung an das Publikum ist das Gegenteil dessen. Man drängt sich nicht mehr nur technisch in das Leben der Markenanhänger über alle möglichen Kommunikations-Formate und -Kanäle hinein, sondern auch inhaltlich, indem man deren Eitelkeit zur eigenen Botschaft erhebt. Der Sender hält dem Empfänger nur noch den Spiegel vor.

Dabei ist es gerade die junge Generation, die in unserer multioptionalen Gesellschaft nach Orientierung sucht, nach Haltung, nach Werten – und nach Auswegen aus so mancher wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Schieflage. Anbiederung, Unterwerfung, Servilität – die Reaktionen des Publikums auf solche Kommunikationsprinzipien sind immer die gleichen: Überdruss aus Überfluss, Abkehr aus Abneigung, Vermeidung aus Verachtung. Die gefällige Botschaft führt stets zur Verachtung des Botschafters.

Wertschöpfung aus bWertschätzung!
Oliver Börsch 

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