Kommunikation ist führungslos geworden.
Das Wettrüsten der Marketing- und Kommunikationsabteilungen ist Teil der Entwertung der Marken. In den Unternehmen gilt: Die Marke ist wie ein Konto. Nur was man reinsteckt, bekommt man auch wieder heraus. Wer nicht mehr einzahlt, fliegt aus dem Rennen um Aufmerksamkeit. Wer nicht mehr aktuell ist, gilt als Schnee von gestern. Wer nicht mehr gefällt, wird nicht mehr gekauft. Wenn all die vielen Produkte und all die vielen Marken die Wertvernichtung in unseren rezessiven Märkten nicht aufhalten konnten; wenn all diese Marken doch austauschbar sind; wenn all diese Marken immer teurer und in ihrer Wirkung immer schwächer werden – ist die Marke dann nicht nur ein Klotz am Bein?
An dieser Stelle der Ohnmacht der Marken greift ein zweites Phänomen unserer Zeit nahtlos ins erste und verstärkt dessen Tragik: Die Vorstellung von der Macht des Marktes; die Vorstellung vom Markt als gegebener Größe aus Absatzpotentialen, Absatzstrukturen, Absatztmittlern und Absatzbringern. Die Vorstellung von unseren Märkten als begrenzte Gesamtgrößen entspricht der Marketingstrategie, jedes Produkt habe sich am Markt auszurichten, sich in ihm zu integrieren und den Bedürfnissen anzupassen. Der übermächtige Käufermarkt, in dem der übermächtige Händler um den übermächtigen Verbraucher buhlt, hat bei den Herstellern zu einer unterwürfigen Submission geführt.
Die Marke wird zu einem Instrument der Differenzierung erklärt und gleichzeitig als Instrument der Anpassung eingesetzt. Angebotsnivellierung, Preisschlachten und Konditionenspielchen belegen dies ebenso, wie die immer gleiche Kommunikation. Fast alle Marketing- und Kommunikationsstrategien sind heute Anpassungsstrategien. Sie werten den Kunden enorm auf und die Unternehmen enorm ab. Jüngstes Beispiel für die kommunikative Anpassung ist das Storytelling, das zu jeder Leistung gleich die unterhaltsame Beilage mitliefert – gerade so, als wenn die Produkte von vorne herein unzulänglich wären.
Die Ohnmacht der Marke sowie die Macht des Marktes haben dazu geführt, dass die Unternehmer bemüht sind, ihre Marken nach den neusten Moden, Benchmarks und Trends auszurichten. Der Wille, die Marke zu führen; der Wille, einen Markt zu führen, seinen eigenen Markt zu gründen und nach seinen Vorstellungen zu entwickeln kommt aus der Mode.
Die Markenziele eines Unternehmens sind letztlich Machtziele. Markenpolitik ist Machtpolitik. Am Ende geht es um die Macht, die Ertragslage des Unternehmens – als Kombination aus Menge und Wert – so autonom wie möglich gestalten zu können. Das Synonym dazu ist die Unternehmerfreiheit. So ist der Erfolg jeder Marke davon abhängig, sich von diesem Gattungsumfeld genügend abzuheben. Ursprünglich ist jede Marke ursprünglich eine originäre Wertidee. Doch nur wenige werden im Laufe der Zeit immer ursprünglicher, nur wenige immer souveräner. Der Zeitgeist schleift sie alle ab.
Die Mehrzahl der Marken wird kaum noch als solche wahrgenommen, aus mangelnder Führung, mangelnder Distanz und mangelnder Souveränität. Starke Marken gewinnen im Laufe der Zeit Souveränität durch eine souveräne Führung und eine selbstbewusste Beanspruchung von Macht. Ihre Widerstandskraft gegen die Entwicklungen der Branche wächst, und damit wächst auch ihre Faszination, ihr Identifikationspotential und schließlich ihre Wertschätzung. Wenn die Widerstandskraft der Marken wachsen soll, muss zunächst die Widerstandskraft der Menschen wachsen, die sie führen. Und wenn die Widerstandskraft der Menschen im Unternehmen gestärkt werden soll, muss das Unternehmen sich fortwährend seiner Identität, seiner Ursprünglichkeit und seiner Einzigartigkeit bewusst werden und pflegen.
Wertschöpfung aus Wertschätzung!
Oliver Börsch