Kommunikation ist respektlos geworden.
Die Quantität an Informationen über Unternehmen, Marken, Produkte, Personen, etc. und die Vielfalt ihrer Vermittlungsformate und -kanäle sowie die digitalen Techniken ihrer Reproduktion hat Kommunikation zu einer Plage werden lassen. Wo der Mensch geht und steht, wird er verfolgt durch Bilder und Botschaften einer alles umfassenden Kommunikationsgesellschaft. Der Aufwand, diese Informationen zu filtern, zu selektieren, zu ordnen, zu gewichten und zu verarbeiten steigt ins übermenschliche an.
Norbert Bolz schreibt: „Das zentrale Problem der zukünftigen Kommunikation ist das Management der knappsten aller Ressourcen: Aufmerksamkeit.“ Dazu schreibt er weiter: „Die Menschen haben kein Wissensproblem, sondern ein Orientierungsproblem… Wir ertrinken in Information und brauchen eine Arche Noah in der Sintflut der Botschaften.“
Niemand wird mehr gefragt, ob er etwas wissen will. Er wird schlicht damit konfrontiert. Kognitive Strategien, der Tyrannei der Kommunikation zu entkommen, heißen daher immer häufiger: Resistenz und Ignoranz. Die Abwehr von Kommunikation ist auch deshalb zum Selbstschutz geworden, weil ihre Glaubwürdigkeit zunehmend in Zweifel gezogen wird. „Trust me, I’m lying…“ lautet der Titel des vielbeachteten Buchs von Kommunikationsguru Ryan Holiday. Und als größte Arena der Fake-Kommunikation entpuppen sich ausgerechnet die gepriesenen neuen Medien.
Die Verfolgten möchten ihren Verfolgern nur noch entkommen. Und es sind die Verfolgten, die nur noch das wertschätzen, was sie selber aus eigenem Entdecken und Erleben für gut befinden. Umgekehrt bedeutet dies, dass eine Marke in den Augen dieser Menschen zunächst wieder eine respektvolle Beziehungen zwischen dem Unternehmen und seiner Community entstehen lassen muss. Drängt sich die Marke auf, macht sie Druck, biedert sie sich an, will sie gefallen, so verliert sie ihre Wertschätzung.
Marken müssen ihren Anhängern wieder das Gefühl der Freiheit – der Wahlfreiheit – zurück geben. Marken müssen zukünftig geradezu „versteckt“ werden, um ihren Anhängern die Chance der persönlichen Entdeckung und der freien Entscheidung für ihre Zuwendung zu ermöglichen. Marken, die ihre Anhänger respektieren, werden auch von diesen respektiert. Werbung und PR hingegen attackieren die Umworbenen und werden deshalb von diesen wiederum attackiert. Druck erzeugt Gegendruck.
Der Markenmanager wird zukünftig vermeiden müssen, hinter seinen Markenanhängern her zu laufen und sie zu bedrängen. Er wird im Gegenteil lernen müssen, respektvolle Distanz aufzubauen: Distanz aus Widerständen und Codierungen – das Streuen subtiler Zeichen. Die Überwindung der Distanz, die Überwindung der Widerstände, ist die Leistung, die den Markenanhänger wieder stolz macht: Stolz, etwas besonderes entdeckt und erobert zu haben. Jeder, der schon einmal verliebt war, und den Menschen seiner Sehnsucht erobern konnte, weiß um diese Gesetzmäßigkeiten.
Wertschöpfung aus Wertschätzung!
Oliver Börsch